Kein Reisebericht. Ich reise seit langem mal wieder von Karlsruhe/Pforzheim in die Hauptstadt. Idealerweise gibt es auf halber Strecke das kleine Häuschen im ehemaligen Zonenrandgebiet. Nach 380 Kilometern also Zwischenstation im Frankenwald. Am nächsten Tag unterquere ich das gleichnamige Brückenrestaurant und praktiziere erste Gelassenheitsübungen auf der A9. 

Deutschland wählt zwar nicht mehr links, dafür fährt es jetzt ausschließlich links. Ich fahre rechts und komme gut voran. Dabei lasse ich mir von Tich Wan Tan, Leben ist, was jetzt passiert: Das Geheimnis der Achtsamkeit, vorlesen. Ich lerne das Wolken niemals sterben, von dem Wunder des Interseins und dass das Leben eigentlich nur Transformation ist. Als ich im Wedding ankomme verabschiede ich mich von meinen zwischenzeitlich abgestorbenen Zellen und freue mich auf alles Neue in mir. „Neuankömmlinge haben es jetzt richtig schwer“, sagt F. der über 20 Jahre in Berlin wohnt. „ Alle wollen hier was reißen in Berlin, es wird immer schwerer sich hier zu etablieren und sein Ding zu machen“. Selig wer noch einen ganz alten Mietvertrag hat, denn der Nachbar im gleichen Haus bezahlt manchmal wesentlich mehr für gleichen Wohnraum, wenn er nicht unter der Gnade der Spätgeborenen steht. Auch der Wedding transformiert sich. Galeriefrei war gestern. Egal, ich habe einen Parkplatz, das Leben ist schön. 

Endlich mal wieder richtig U-Bahn fahren. Herrlich! U6, U9 und ein bisschen U8 reicht vollkommen um niemals mehr Auto fahren zu wollen. Mit vollen Bauch lässt es sich schließlich auch am besten über´s Fasten nachdenken. Eigentlich reicht mir schon Kreuzberg als mentale Frischzellenkur. Mitte und Friedrichshain streife ich nur so am Rande. Jetzt wäre der Zeitpunkt um über all das sensationell gute Essen und die endlose Freiheit des Seins zu schwärmen. 

Mein Punkt im Februar 2019 ist aber ein anderer. Ich sehe fast überall arme Menschen, die mich anbetteln und denen es nicht gut geht. Ich spüre echtes Mitgefühl und fürchte gleichzeitig es langsam zu verlieren. Ich bin froh, dass ich bei der Saukälte nicht draußen schlafen muss. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt hier Draußen zu liegen. Ich bin dankbar und beschämt zugleich. Viel Elend in Berlin. Musik wird mich auf andere Gedanken bringen. Minimalistische elektronische Musik der Gegenwart, das ist es, was ich jetzt konsumiere. Ich besuche den Watergate Club und habe freien Blick auf die Spree. Nach 2 Stunden habe ich genug, die U1 und U6 bringt mich wieder zurück zu meiner wohlriechenden Daunendecke. Ich schlafe wenig, aber gut. Ich bin noch eine Weile hier in der Stadt, die so viel zu bieten hat. Ich genieße die Zeit. Bei schlechtem Wetter besuche ich Museen und wenn es aufhört zu regnen entdecke ich Draußen viel Neues und Interessantes. Ich gewöhne mich mehr und mehr an den Rhythmus der Stadt. Vieles wird normal. Mein Mitgefühl wird weniger.